Martini - das optimistische Halberstadt-Magazin

Sahnehäubchen willkommen

Zwei Millionen Euro kann die Stadt Halberstadt dank Fördermitteln in das einstige Stadtcafé am Breiten Weg investieren. Die Immobilie, deren Erdgeschoss bislang vermietet ist, fristet seit Jahren ein trauriges Dasein. 2023 hatte die Stadt das denkmalgeschützte Gebäude gekauft – nun sammelt die Verwaltung Ideen für eine zukünftige Nutzung.

 

Von Mathias Kasuptke

Richtungswechsel im Rathaus: Die Stadt Halberstadt will offenbar nicht länger Zaungast sein, sondern selbst aktiv werden. Schon 2023 kaufte die Stadt das Stadtcafé am Breiten Weg, vor einigen Monaten folgte das Klubhaus-Gelände. Die Absicht ist klar: Oberbürgermeister Daniel Szarata möchte „die Hand auf diesen prägenden Grundstücken oder Immobilien haben, um selbst gestalten zu können“. Das unterstreicht auch Thomas Rimpler, der zurzeit die Werbetrommel für das Stadtcafé rührt „Wenn es möglich ist, wollen wir Einfluss nehmen.“ 

Während für das Klubhaus-Grundstück noch keine Richtung vorgegeben ist, existieren für das ehemalige Stadtcafé bereits erste Pläne. Zunächst wird das Gebäude für etwas mehr als zwei Millionen Euro umfassend saniert. Vorgesehen sind eine Fernwärme-Anbindung, eine neue Lüftungsanlage, ein Fahrstuhl für den barrierefreien Zugang ins Obergeschoss und zeitgemäße Sanitäranlagen. Auf dem Dach soll eine Photovoltaikanlage installiert werden. 

Noch offen ist allerdings, wer oder was künftig einzieht. „Wir haben eigene Vorstellungen, möchten aber die Halberstädter in den Prozess einbeziehen“, sagt Thomas Rimpler, Fachbereichsleiter für Wirtschaft, Stadtplanung und Kultur. Daher möchte die Stadtverwaltung nun potenzielle Nutzer auffordern, ihre Vorstellungen einzureichen.  

Auf der Website der Stadt Halberstadt können ein Exposé und zahlreiche Grundrisse des Stadtcafés eingesehen werden. „Wir suchen Betreiber mit Konzepten, die das Objekt und somit den Breiten Weg beleben“, betont Rimpler. Die Stadtverwaltung könne sich zwar vorstellen, dass das einstige Café ein Ort für Familien- und Firmenfeiern, für Vorträge oder Sonderausstellungen werde, wolle aber den Ideen möglicher Nutzer nicht vorgreifen. 

Die Vorschläge sollten jedoch mehr sein als nette Wünsche. „Es geht nicht darum, was im Stadtcafé schön wäre“, betont Rimpler. „Die Vorschläge müssen wirtschaftlich realisierbar sein.“  Kreativität sei gefragt – „schließlich gehe es um die Gestaltung eines besonderen Ortes“, heißt auf der Website der Stadt. Die Zukunft der derzeitigen Mieter im Erdgeschoss (Tattoo-Studio und Technik An- und Verkauf) wird noch ausgespart. Es gebe laufende Mietverträge. „Wir sind immer an einvernehmlichen Lösungen interessiert“, betont Thomas Rimpler.  

Bis Baufirmen allerdings loslegen können, wird noch einige Zeit vergehen. „Für das Projekt ist eine europaweite Ausschreibung erforderlich“, erklärt Jörg Wolansky, Abteilungsleiter Hochbau. Vor Sommer 2026 wird diese nicht abgeschlossen sein. Erst dann steht ein Planungsbüro fest, dessen Arbeit wiederum mehrere Monate in Anspruch nimmt. „Mit dem Baubeginn ist frühestens im Frühjahr 2027 zu rechnen“, so Wolansky. Ein Jahr Bauzeit gilt als realistisch. 

Mit dem Baubeginn ist frühestens im Frühjahr 2027 zu rechnen.

Die Finanzierung ist gesichert. Etwa zehn Prozent der Sanierungskosten trägt die Stadt selbst, der Rest wird vom Land gefördert. Ein erster Förderantrag scheiterte 2023. Nun hat es – nach intensiven Gesprächen mit dem Land – im zweiten Anlauf geklappt. 

Am Ende konnte die Stadt sogar erreichen, dass auch der Kauf der Immobilie vollständig gefördert wurde. Ausschlaggebend war unter anderem das 6,5 mal 2,25 Meter große markante Mosaik im Obergeschoss, das – wie das Gebäude selbst – ein bedeutendes Zeitzeugnis darstellt. „Ein Tag am Strand“ heißt das unter Denkmalschutz stehende Werk von Pia und Walter Ebeling, das durch jahrzehntelangen Leerstand des Objekts bereits gelitten hat. Die städtische Holding Nosa sollte eigentlich einen neuen Standort für das Wandbild im Freizeit- und Sportzentrum prüfen. Doch Jens Klaus, Fachbereichsleiter Bau, schlug vor, das Bild am Ort zu belassen, Fördermittel einzuwerben und die Immobilie zu sichern. Das brachte den Stein ins Rollen: Oberbürgermeister Szarata griff die Idee begeistert auf und leitete die Kaufverhandlungen ein. 

Der Vorbesitzer der Immobilie – Betreiber des An- und Verkaufs im Erdgeschoss – hatte eigentlich andere Verkaufspläne. Ein Termin mit einem asiatischen Interessenten soll sogar schon vereinbart gewesen sein. Die Stadt ließ sich nicht entmutigen, bot einen höheren Kaufpreis und schloss den Kauf im Sommer 2023 in bemerkenswert kurzer Zeit ab.  

Das Haus steht unter Denkmalschutz.  Fachleute sprechen von sogenannten Pavillonbauten, die in dieser Form in Deutschland nur noch selten zu finden sind. Erbaut wurde das Halberstädter Stadtcafé von 1961 bis 1963. Drei weitere Gebäude dieser Art entstanden am Breiten Weg – das Kinderkaufhaus Bummi, das Modehaus Exquisit und das Schuhkaufhaus. 

Dass für das Stadtcafé nun Zukunftspläne geschmiedet werden, dürfte viele Halberstädter freuen. Schließlich war es am Breiten Weg bis zur Wende mehr als nur ein Restaurant. Hier traf man sich zum Kaffeeklatsch oder auf dem Weg zum Busbahnhof, wenn bis zur Abfahrt noch Zeit blieb. Wer aus den umliegenden Dörfern zum Einkaufsbummel in die Stadt gefahren war, packte stolz die Neuerwerbungen aus, um sie zu bestaunen. Am Wochenende spielte ein Stehgeiger, begleitet vom Klavier, beim Kaffeekränzchen auf. 

Die legendäre Musikbox an der Treppe machte das Stadtcafé auch zum Jugendtreff. Sie war vermutlich die einzige Musikbox in der Stadt, die auch Westplatten abspielte und deshalb in den 60er- und 70er-Jahren so manchen Jugendlichen um sein Taschengeld erleichterte. „Ich wäre heute ein reicher Mann, wenn die Box mir nicht das Geld aus der Tasche gezogen hätte“, erinnert sich auch Thomas Rimpler.  

Zu dieser Zeit galt der Kaffee aus der riesigen tschechischen Mocca-Kaffeemaschine, die einer heutigen Siebträgermaschine glich, als ausgesprochen gut. Wer in den Ferien am Stadtcafé am Kuchenbuffet arbeiten wollte, musste sich mit 1,84 Mark Stundenlohn zufriedengeben – aber immerhin war dann die Westmusik aus der Musikbox inklusive. 

Nun möchte die Stadtverwaltung das Gebäude wieder mit Leben füllen. Als einen solchen öffentlichen Anlaufpunkt stellt sich die Verwaltung das ehemalige Stadtcafé auch künftig vor. Ob das gelingt, hängt nicht zuletzt von den eingereichten Ideen ab. Mit etwas Fantasie könnte das Haus für den neu gestalteten Breiten Weg vielleicht sogar ein Sahnehäubchen werden.