Wenn ich durch unsere Wohnung gehe, bleibe ich gern einen Moment vor den Bildern stehen. Meine Scherenschnitte, Zeichnungen und das Mosaik erinnern mich an die Jahre, in denen ich jung war. Ich hatte Talent und wäre so gern Buchillustratorin geworden, aber weil ich aus einer christlichen Familie stammte, durfte ich nicht zur Oberschule. So war das in der DDR. Arbeiter- und Bauernkinder hatten Vorrang, als Christen waren wir nicht gern gesehen. Das habe ich schon als 14-Jährige zu spüren bekommen, weil ich mich nicht zur Jugendweihe angemeldet habe, sondern zur Konfirmation. Wir waren es gewohnt, mit Widerständen umzugehen. Als man mir den Weg zum Abitur versagte und ich stattdessen mit 16 eine Lehre zur Schriftsetzerin begann, sagte meine Mutter: „Pfeif drauf, wir bleiben trotzdem Christen!“ Meine Mutter war eine starke Frau. Obwohl sie gesundheitlich zu kämpfen hatte, hat sie mich und meine beiden Brüder zusammen mit der Oma durch die schweren Nachkriegsjahre gebracht. Mein Vater war lungenkrank und ist gestorben, als ich noch klein war.
Ich war erst ein Jahr alt, als wir im Frühjahr 1945 aus Forst in der Lausitz geflohen sind. Die sowjetischen Truppen rückten mit ihren Panzern immer näher, die Leute hatten Angst und verließen ihre Heimat. Die Stadt wurde in wenigen Wochen zur Trümmerwüste, auch unser Haus war unbewohnbar. Wir kamen in Lutherstadt Eisleben unter, weil es dort Verwandte gab. Ich erinnere mich, dass wir als Kinder oft Hunger hatten. Wir baten die Oma darum, die Kartoffelschalen essen zu dürfen. Trotz der Armut hatte ich ein warmherziges Zuhause. Meine Mutter hat mir Liebe mitgegeben, den christlichen Glauben und den Sinn für Kunst. Meinen Mann Ulrich, mit dem ich inzwischen schon 57 Jahre verheiratet bin, habe ich schon zu Schulzeiten kennengelernt. Er hat eine Ausbildung zum Elektriker gemacht und später Elektroingenieurwesen für Bergbau studiert. Nach dem Abschluss wollte er aber doch lieber Pfarrer werden und studierte Theologie. Ich selbst hängte eine zweite Ausbildung an, wurde Lehrerin für die Unterstufe.
„Mitten im Geschehen zu sein, zu helfen, mich zu kümmern, das habe ich immer geliebt.“
Ich war erst ein Jahr alt, als wir im Frühjahr 1945 aus Forst in der Lausitz geflohen sind. Die sowjetischen Truppen rückten mit ihren Panzern immer näher, die Leute hatten Angst und verließen ihre Heimat. Die Stadt wurde in wenigen Wochen zur Trümmerwüste, auch unser Haus war unbewohnbar. Wir kamen in Lutherstadt Eisleben unter, weil es dort Verwandte gab. Ich erinnere mich, dass wir als Kinder oft Hunger hatten. Wir baten die Oma darum, die Kartoffelschalen essen zu dürfen. Trotz der Armut hatte ich ein warmherziges Zuhause. Meine Mutter hat mir Liebe mitgegeben, den christlichen Glauben und den Sinn für Kunst.
Meinen Mann Ulrich, mit dem ich inzwischen schon 57 Jahre verheiratet bin, habe ich schon zu Schulzeiten kennengelernt. Er hat eine Ausbildung zum Elektriker gemacht und später Elektroingenieurwesen für Bergbau studiert. Nach dem Abschluss wollte er aber doch lieber Pfarrer werden und studierte Theologie. Ich selbst hängte eine zweite Ausbildung an, wurde Lehrerin für die Unterstufe.
Wir heirateten 1968 und bekamen bald unser erstes Kind. Es wurden über die Jahre acht: fünf Jungs und drei Mädchen. Als ich zum dritten Mal schwanger war, beschloss ich, meinen Beruf aufzugeben, um meine Kraft in die eigenen Kinder zu stecken. Wie ich es geschafft habe, acht Kinder großzuziehen, frage ich mich heute manchmal selbst. Es war hart und schön zugleich. Sie mussten lernen zu warten. Ich konnte nicht überall zugleich sein, und jeder musste mithelfen. Ans Kohlen in den Keller schleppen und Äpfel ernten erinnern sie sich alle noch.
Wir haben viele Jahre im Pfarrhaus in Emersleben gewohnt. Mein Mann fuhr mit dem Trabi in die umliegenden Gemeinden. Als die Kinder größer waren, kümmerte ich mich als Katechetin um Christenlehre, Adventsfeiern und organisierte Freizeiten. Das waren schöne Jahre. Etwa zur Wendezeit sind wir dann nach Halberstadt gezogen. Ein Kind nach dem anderen wurde erwachsen und ging eigene Wege. Dass das Haus leerer wurde, habe ich gar nicht als großen Einschnitt wahrgenommen, denn sie sind ja oft zu Besuch. Wir haben eine enge Verbindung und inzwischen 15 Enkelkinder. Bei uns ist immer Trubel.
Mitten im Geschehen zu sein, zu helfen, mich zu kümmern, das habe ich immer geliebt. Aber jetzt, mit 81, merke ich doch, dass ich mich nach Ruhe sehne. Ich bin nicht mehr so belastbar. Mit dem Älterwerden kommen die Zipperlein. Manchmal jammere ich vor mich hin. Die Knie schmerzen, ein Auge ist fast blind. Das ärgert mich vor allem deshalb, weil ich die Noten kaum mehr sehen kann, wenn ich mit dem Posaunenchor probe. Dabei ist es meine größte Freude, mit meinem Tenorhorn dabei zu sein.
Wenn ich auf mein Leben gucke, dann weiß ich: Der liebe Gott hat mir immer geholfen und alles gut geführt. Ich vertraue darauf, dass er es weiterhin tut. Zehn Jahre möchte ich gern noch leben, um zu verfolgen, wie auch unsere jüngeren Enkel selbstständig werden. Und wenn das Ende kommt, soll es ein gutes Sterben sein. Ich komme in den Himmel, daran glaube ich fest.“