Martini - das optimistische Halberstadt-Magazin

Bücher meines Lebens

Es gibt Bücher, die in uns Spuren hinterlassen. Prof. Dr. Angela Kolb-Janssen hat ihre Favoriten aus dem Regal geholt. Bücher, die sie wieder und wieder kauft, um sie zu verschenken. Bücher, die in unseren Herzen wohnen.

Guten Morgen, du Schöne von Maxie Wander 

„Als junges Mädchen habe ich vor allem Bücher gelesen, die von Frauen und deren Lebenswegen erzählten. Dieses Buch war mir besonders wichtig. Maxie Wander hat 19 einfachen Frauen ein Mikrofon vorgehalten und sie ihre Geschichten erzählen lassen. Das Buch zeigt, dass jede Frau auf ihre Weise interessant ist. Jede geht ihren eigenen Weg, das hat mir damals Mut gemacht. Ich finde, der Porträtband ,Guten Morgen, du Schöne’, 1977 erschienen, wurde zurecht zu einem der erfolgreichsten Bücher der DDR und auch im Westen zum Kultbuch. Ich habe mich mit der tragischen Lebensgeschichte von Maxie Wander beschäftigt, die als Österreicherin in die DDR gezogen war. Sie lebte mit ihrer Familie in Kleinmachnow bei Potsdam, musste den Unfalltod ihrer Tochter verwinden und erkrankte 1976 an Krebs. Im Jahr darauf starb sie, da war sie erst 44 Jahre alt. Unter dem Titel ,Leben wäre eine prima Alternative’ sind ihre Tagebücher und Briefe erschienen, die von der Sprachlosigkeit im Angesicht der Diagnose erzählen, aber auch von der Freude an den kleinen Dingen.“  

Nexus Yuval von Noah Harari 

„Den Autor Yuval Noah Harari schätze ich sehr, weil es ihm gelingt, hoch komplexen Themen gut verständlich zu erklären. ,Nexus’ ist sein jüngstes Buch, im Herbst 2024 ist es auf Deutsch erschienen. Der israelische Historiker beschreibt darin, wie Informationsnetzwerke unsere Welt geformt haben und wie sie diese jetzt zu zerstören drohen. Er erkundet, wie verschiedene Gesellschaften und politische Systeme Informationen in der Vergangenheit genutzt haben, um ihre Ziele zu erreichen. Und er befasst sich mit den Entscheidungen, vor denen wir heute stehen. Seine These: Wenn wir die künstliche Intelligenz (KI) nicht kontrollieren beziehungsweise regulieren, ist sie das Ende der Menschheit. Denn wir können nicht mehr einschätzen, was Information ist und was Manipulation. Als Juristin finde ich die Denkanstöße, die Harari mit diesem Buch gibt, höchst spannend.“

Notiert von Dana Toschner 

Venedig kann sehr kalt sein  von Patricia Highsmith

„Venedig war für mich zu DDR-Zeiten ein Sehnsuchtsort. Seit der Wende war ich mehrmals dort und finde nach wie vor, diese Stadt hat einen ganz eigenen Charakter. Irgendwann habe ich angefangen, Krimis zu sammeln, die in Venedig spielen. Es gibt dafür eine eigene Reihe in meinem Bücherregal. Als dann Donna Leon so viele Krimis rund um ihren Commissario Brunetti in Venedig spielen ließ, hörte ich irgendwann mit dem Sammeln auf. Doch ,Venedig kann sehr kalt sein’ von Patricia Highsmith zählt unbedingt zu den Büchern meines Lebens, weil es ein Krimi-Klassiker ist. Die Geschichte: Ray Garetts junge Frau hat sich umgebracht. Sein Schwiegervater glaubt, Garett trage die Schuld am Tod seiner Tochter. In Venedig will der Schwiegersohn den Schwiegervater von seiner Unschuld überzeugen. Ob das gelingt, verrate ich nicht. Aber dass es sich lohnt, in der legendären Harry’s Bar in Venedig, am Original-Schauplatz des Krimis, einen Bellini zu trinken, verrate ich gern.“  

 Frau am Pranger von Brigitte Reimann

„Brigitte Reimann hat mich als Autorin schon immer fasziniert, und ich finde es richtig schön, dass ich jetzt in Burg lebe, wo sie geboren wurde. Ein Reimann-Museum gibt es hier nicht, aber man kann einen Rundgang machen auf den Spuren der Schriftstellerin. Sie war eine außergewöhnliche und mutige Frau, die sich durchaus kritisch mir den Verhältnissen in der DDR auseinandersetzte. Ihr Leben war viel zu kurz – mit nur 39 Jahren starb sie an den Folgen einer Brustkrebserkrankung. Ich habe all ihre Bücher gelesen und mag ,Die Frau am Pranger’ ganz besonders. Diese Liebesgeschichte, mit der sie Tabus brach, war ihr erster großer Erfolg. Sie hat sie mit Anfang 20 geschrieben, was ich bemerkenswert finde. Im Mittelpunkt der Geschichte steht die unglücklich verheiratete Kathrin, die sich in den Kriegsgefangenen Alexej verliebt. Erst durch diese – streng verbotene – Liebe, erkennt sie ihren eigenen Wert. Es ist eine einfache Erzählung, die aber voller Kraft steckt und wichtige Fragen aufgreift, die bis heute aktuell sind.“  

Selbstverständlich gleichberechtigt* von Lore Maria Peschel-Gutzeit

„Ich bin dieser Autorin einmal selbst begegnet und fand ihren Lebensweg beeindruckend. Sie war Juristin und Politikerin, vor allem aber eine Vorkämpferin, die sich ihr Leben lang für Gleichberechtigung von Frauen und Männern eingesetzt hat. Es gibt sogar ein Gesetz, das nach ihr benannt ist, das ,Lex Peschel’. Als Familienrichterin trat sie für das gemeinsame elterliche Sorgerecht ein und bestand darauf, dass erst die Kinder angehört werden. Sie hatte wichtige Posten inne, war zum Beispiel Vorsitzende des Deutschen Juristinnenbundes und die erste Vorsitzende Richterin am Hanseatischen Oberlandesgericht. Eine toughe, sehr kluge, unerschockene Frau! Die Gerechtigkeit war ihr Lebensthema und schnelle Autos ihre Leidenschaft. In ihrer Autobiografie gibt sie einen Einblick in ihren Erfahrungsschatz. Mir hat ihre Lebensgeschichte Mut gemacht, Ungerechtigkeiten nicht einfach nur hinzunehmen. Wir Frauen müssen den Mut haben, zu verändern, was uns stört!“
*nur noch antiquarisch erhältlich